Mottenkäfig zu Gast in Prag
Prag, die goldene Stadt! Sie ist in vielerlei Hinsicht eine Reise wert. Karlsbrücke, Hradschin, der Altstädter Ring, die jüdischen Synagogen, um nur ein paar touristische Highlights zu nennen.
Aber auch die Theaterlandschaft der tschechischen Hauptstadt ist mit seiner Vielfalt eine Attraktion für sich. Dazu zählt auch das Figurentheater. Bester Beweis ist das „Řiše loutek“, zu deutsch „Das Reich der Puppen“, ein Amateurtheater mit einer 99jährigen Tradition. In diesem Theater, das sich in der Josephstadt, unweit des Jüdischen Friedhofs befindet, wurde am 20. Mai 1929 die Internationale Vereinigung der Puppenspieler UNIMA gegründet. Dies war der Anlass von Řiše loutek“ zum 90jährigen Jubiläum der UNIMA einzuladen. Auf der Gästeliste standen eine italienische Handpuppenbühne aus Neapel, eine Bühne aus Lyon, aus Lüttich, Belgien, Vertreter der dortigen Tchantès-Bühne, aus England ein Punch-and-Judy-Theater und aus Deutschland zwei Vertreter der Marionettenbühne Mottenkäfig. Dies war weder Zufall noch eine Verlegenheitswahl, denn zwischen dem Prager Figurentheater und dem Mottenkäfig bestehen seit 1985 Kontakte, die sich in Begegnungen und insgesamt vier Gastspielen manifestiert. Zuletzt waren zwei Vertreter von Řiše loutek“ in Pforzheim, als der Mottenkäfig sein 50jähriges Bestehen feierte. Die Gäste aus dem Ausland hatten für die am Freitagabend stattfindende „UNIMA Soirée“ alle etwas mitgebracht: einen Ausschnitt aus ihren jeweiligen Handpuppenprogrammen mit Pulcinella, Guignol, Punch bzw. Tchanchès. Dabei durften selbstverstädnlich die bekannten tschechischen Spejbl und Hurvinek nicht fehlen. Da sich die Stücke des Mottenkäfig, in denen ein Kasper bzw. ein Teufel vorkommt, nicht eigneten, hatte man sich im Vorfeld darauf geeignet, gemeinsam mit Prager Figuren eine Szene aus dem „Puppenspiel von Doktor Faust“ nach Karl Simrock zu spielen und zwar jene, in der der Kasper als Diener bei Faust das Zauberwort entdeckt, mit dem man die Teufel herbeirufen und wieder verschwinden lassen kann.
So kam es zu einer kollegialen Zusammenarbeit zwischen Ingrid Bürger als Spielerin vom Kasper und vier Prager*innen, die die Teufel bewegten, und Wolfgang Bürger als Sprecher von Kasper und einem Teufel zusammen mit einem tschechischen Sprecher, was ein weiterer Beweis der freundschaftlichen Verbindung beider Theater darstellte. Diese Kooperation wurde in Anwesenheit von Ruth Brockhausen, der 1. Vorsitzenden der UNIMA Deutschland als begrüßenswert hervorgehoben. Der Feierstunde im Gründungstheater war ein Empfang im Tschechischen Zentrum mit einer Ausstellung aus der Sammlung für Puppenkultur der ostböhmischen Stadt Chrudim vorausgegangen.
Die gute Betreuung und herzliche Gastfreundschaft von Seiten der Prager, ganz im Geist der UNIMA-Charta, ließ den Wunsch keimen, dass bald wieder eine Begegnung stattfinden möge. ci
Bildinformationen:
Foto Nr.1 Die Tafel, angebracht an der Außenwand des Prager Figurentheaters, mit sieben verschiedenen Kasperfiguren weist bereits bei Gründung der UNIMA am 20. Mai 1929 auf die Internationalität der Puppenspielervereinigung hin.
Foto Nr. 2 Beim Empfang im Tschechischen Zentrum Prag vor der Gründungsplakette der UNIMA mit Ruth Brockhausen, UNIMA-Präsidentin, Ingrid Bürger, Hartmut Topf, Berlin, und Wolfgang Bürger (von links).
Foto Nr. 3 Sieben Teilnehmer aus Italien, England, Belgien, Deutschland und Tschechien (Ingrid und Wolfgang Bürger vom Mottenkäfig 3. und 1. von rechts) posieren vor den sieben Kasperfiguren aus der Gründungszeit der UNIMA